Nach einigen Veröffentlichungen in Kleinverlagen, werde ich meinen nächsten Roman selbst als E-Book veröffentlichen. In dieser Artikelserie lasse ich euch an meinem »Abenteuer Self-Publishing« teilhaben. Im Moment ist der Roman im Lektorat – und das ist dann auch Thema in dieser Ausgabe.
Anja kenne ich schon eine ganze Weile. Sie hat fast alle meine Bücher (test-)gelesen und war bei Dämonengrab auch meine vom Verlag beauftragte Lektorin. Insofern war ich mehr als happy, als sie sich bereit erklärte, auch mein aktuelles Werk zu lektorieren. Ich habe sie mal zum Interview gebeten:
Hallo Anja, stell dich meinen Lesern doch kurz vor.
Mein Name ist Anja Koda, ich bin Jahrgang späte 70er und seit etwas mehr als zwölf Jahren als freiberufliche Lektorin tätig. Ich habe Archäologie, Germanistik und Philosophie studiert und mich zwischenzeitlich immer wieder (aus Interesse oder aus finanzieller Notwendigkeit) auch in anderen Bereichen herumgetrieben.
Wie bist du Lektorin geworden?
Dass ich selbstständige Lektorin geworden bin, war nicht geplant in dem Sinne, sondern hat sich fast von selbst ergeben. Ich mag die kreative Arbeit an Texten, das Jonglieren mit der Sprache und ihre vielfältigen Deutungsmöglichkeiten. Auch ist es immer wieder spannend, Autoren bei der Entstehung ihrer Werke über die Schulter blicken zu dürfen.
Gerade die Arbeit mit unterschiedlichen Texten – Belletristik, Sachtexte, Kolumnen, Essays, Rezensionen, politische Reden usw. – bietet mir eine fantastische Möglichkeit, mit jedem neuen Auftrag meinen Horizont zu erweitern und auch neue Ecken kennenzulernen, in denen ich mich sonst vielleicht nicht umgesehen hätte.
Früher hatten selbst veröffentlichte E-Books keinen guten Ruf, weil sie oft unlektoriert veröffentlicht wurden. Ist das Deiner Meinung nach besser geworden?
Nicht wirklich. Die Preise – gerade von noch unbekannten Neu-Autoren – sind sehr knapp kalkuliert. Viele verzichten deshalb lieber auf ein Lektorat, weil sie sonst nicht nur keinen Gewinn, sondern ein Minus machen würden. Das ist zwar verständlich, doch als Autor bzw. Künstler darf man so nicht rechnen. Der erste Roman, den man auf den Markt bringt, sollte weniger als Einkommensquelle, sondern vielmehr als Türöffner gesehen werden.
Wenn man viel Zeit und Arbeit in einen Roman gesteckt hat, wie viele Autoren dies ja tun – soll das Endergebnis dann nicht so perfekt wie möglich sein? Und damit meine ich nicht nur Rechtschreibung, Interpunktion u. Ä. Ich denke auch an das Gesamtpaket. Es lohnt sich jemanden zu engagieren, der dabei hilft, den Text auf Hochglanz zu polieren – denn in etlichen Romanen steckt eine Menge ungenutztes Potential. Vielen Autoren ist gar nicht bewusst, wie gut sie wirklich sind bzw. sein könnten.
Wie groß ist der Anteil von Self-Publisher-Aufträgen bei dir? Würdest du ggf. gern mehr mit Indie-Autoren zusammen arbeiten?
Ich arbeite mit einigen Autoren zusammen, die noch keinen Verlag haben und ihren Roman mit mir zusammen aufpolieren wollen, um ihn dann Verlagen und/oder Agenturen anzubieten. Die meisten sehen Self-Publishing nur als letzten Ausweg.
Wenn möglich, versuche ich die Autoren davon zu überzeugen, zumindest eine Weile auf die Suche nach einem Verlag bzw. einer Agentur zu gehen. Es mag durchaus fähige und erfolgreiche Self-Publisher geben, aber in der Regel ist der Markt dermaßen überschwemmt, dass ein Einzelner sehr findig und kreativ sein muss, um eine große Leserschaft zu gewinnen.
Worauf sollte man als Self-Publisher bei der Suche nach einem Lektor achten? Woran erkennt man, dass man es mit jemandem zu tun hat, der sein Handwerk wirklich versteht?
Generell erkennt man einen guten Lektor daran, dass er persönliche Wertungen bzw. seinen subjektiven Geschmack zurückstellt. Beides hat bei einem Lektorat nichts verloren. Es geht nicht darum, dass mir der Text gefällt und ich die Figuren mag … Die Handlung muss stimmig, die Figuren glaubhaft gezeichnet sein usw. – wenn ich selbst als Leser andere Charaktere bevorzuge, ist das mein Privatvergnügen, hat jedoch nichts mit meinem Job zu tun.
Weiterhin darf er nicht eigene schriftstellerische Ambitionen an den Werken anderer ausleben. Ein professioneller Lektor poliert den vorliegenden Text auf und ist bestrebt, ihn gut aussehen zu lassen. Im Idealfall spricht er sich bei Bedarf mit dem Autor ab und versucht herauszufinden, was die Essenz des Romans ist – welche Intention der Autor beim Schreiben hatte -, um so zu gewährleisten, dass das Endprodukt möglichst dem nahe kommt, was der Autor sich vorgestellt hat.
Leider kommt es viel zu oft vor, dass Lektoren ganze Sätze und Passagen kommentarlos streichen bzw. umformulieren, ohne zu erklären, wieso sie das tun. Zwar bleibt es dem Autor überlassen, ob er diese Änderungen übernehmen will oder nicht, aber es fehlt dann die Kommunikation, der Austausch zwischen Autor und Lektor. In der Regel muss ein Lektor zusehen, dass er – damit es sich für ihn überhaupt lohnt – innerhalb eines bestimmten Zeitraumes mit dem jeweiligen Manuskript fertig wird. Zusätzliche Rückfragen oder gar ein Brainstorming zusammen mit dem Autor sind da zeitlich kaum drin. Dennoch sollte ein Lektor professionell genug sein, dem Text die Aufmerksamkeit zu schenken, die er verdient. Das Lektorat darf kein mechanisches Abarbeiten von Regelwerken sein, sondern setzt eine gewisse Leidenschaft für den jeweiligen Text voraus. Stellt man als Autor fest, dass der Roman dem Lektor fast genauso wichtig ist, wie einem selbst, dann ist man wohl an den richtigen gekommen.
Hast du einen allgemeinen Lektoren-Rat für Self-Publisher?
Autoren sollen sich und ihre schriftstellerischen Ambitionen ernst nehmen. Viele neigen dazu, ihre Autorentätigkeit herunterzuspielen. Es ist jedoch keine gute Werbung für einen Roman, wenn selbst der Autor nicht von diesem überzeugt zu sein scheint.
Doch neben einer guten Portion Selbstbewusstsein, ist eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten ebenso wichtig. Nicht jeder ist zum Schriftsteller geboren. Das bedeutet nicht, dass man das Schreiben komplett einstellen sollte. Jemand, der regelmäßig schreibt, hat oftmals eine ganz andere, sehr viel differenziertere Sicht auf die Welt. Außerdem feilt man gleichzeitig an seiner Ausdrucksweise und seiner Sprache. Wenn es nichts mit dem großen Erfolg als Autor wird, kann die Arbeit am Text dennoch Freude bereiten und einen Sinn haben.
Weiterhin darf man nicht vergessen, dass Schreiben ein Handwerk ist. Es gehört Übung dazu, der Austausch mit anderen Autoren, das Lernen im Rahmen von Fortbildungen, Seminaren usw. Will man ernsthaft an einem Roman arbeiten, kommt man so gut wie nie ohne Hilfe von außen aus.
Deshalb würde ich jedem Autor raten, sich und seine schriftstellerische Tätigkeit ernst zu nehmen, den ersten Roman aber nicht als potentielle Goldene Gans zu betrachten, die notgeschlachtet wird, sobald feststeht, dass sie doch keine Eier legt.
Danke Dir für das Interview, Anja.
Als nächstes steht nun die Finalisierung des Covers an. Der Entstehungsprozess ist das Thema der nächsten Folge.