Was meine Drachen mit der Concorde zu tun haben…

Ich bin ein Zahlen-Nerd. Deshalb weiß ich ziemlich genau, wann ich mit einem Buch angefangen und wie viel Zeit ich hinein investiert habe, selbst, wenn ich zwischendurch noch andere Projekte bearbeitet habe, weil ich mir monatlich die Wortzahlen notiere.

Paulson‘s Peak z.B. begann ich im Januar 2019, schrieb es in knapp einem Jahr roh fertig, es folgte noch eine Überarbeitung und im Sommer 2020 stand das Ding, obwohl ich zwischenzeitlich auch an anderen Projekten arbeitete. Aber manchmal läuft es anders. So extrem wie mit meinen Nuareth-Drachen ist es mir aber noch nie ergangen, dabei fing es so gut an.

Die Nuareth-Drachen begann ich im Februar 2020. Das Projekt lief richtig gut, wuchs bis August auf 57.000 Wörter an, aber dann rannte ich vor eine Wand. Ich erzählte nicht mehr das, was ich eigentlich erzählen wollte, verzettelte mich mit zu vielen Erzählsträngen. Also schrieb ich erstmal Der Puppenkiller fertig, warf 20.000 Wörter und einen ganzen Strang von den Drachen weg und begann mit dem Rest im November von Neuem.

Wieder lief es recht gut, bis Juli 2021 wuchs das Projekt auf deutlich über 100.000 Wörter an, aber dann kamen mir erneut Zweifel. Obwohl ich grob geplottet hatte, funktionierte die Geschichte nicht so, wie ich mir das vorstellte und es war außerdem absehbar, dass es von der Wortzahl her nicht für die anvisierte Trilogie, sondern bestenfalls für einen Zweiteiler reichen würde. Also zog ich wieder die Notbremse – und hier kommt nun die Concorde ins Spiel.

Als Concorde- oder Sunk-Cost-Effect bezeichnet man das psychologische Phänomen, das Menschen an Projekten oder Entscheidungen festhalten lässt, nur weil sie schon so viel Zeit oder Geld investiert haben. Bei der Concorde war z.B. schon vor ihrer Fertigstellung klar, dass man sie nie wirtschaftlich würde betreiben können, trotzdem wurde sie gebaut und in Betrieb genommen. Gleiches gilt z.B. für Studierende, die in einem späten Semester merken, dass das gewählte Fach doch nicht das Richtige war, aber dennoch durchziehen, weil sie ja schon so viel Zeit investiert haben.

Dasselbe passierte mir mit den Nuareth-Drachen. Obwohl mir spätestens im Juli 2021 hätte klar sein müssen, dass hier was grundlegend falsch läuft, setzte ich im Oktober wieder neu an und schrieb bis heute nochmal fast 100.000 Wörter brutto (netto hat das ganze Projekt Stand jetzt nur 135.000, daran kann man ermessen, wie viel ich überarbeitet und in die Tonne geworfen habe). Zweifel hatte ich immer wieder, aber genau der Concorde-Effekt war es, der mich weitermachen ließ. Aufgeben, nach zwei Jahren und brutto um die 250.000 Wörtern? Kommt nicht in Frage.

Oder doch? Jetzt sitze ich wieder vor dem Skript und schüttele den Kopf. Plot hin, Plot her, im Herzen bin ich Bauchschreiber und mein Bauch sagt mir, dass die Geschichte nicht funktioniert, zumindest nicht so, wie ich es mir vorstelle.

Ob meine Drachen-Concorde deshalb nun wirklich am Boden bleiben wird – wer weiß. Aber auf jeden Fall muss ich jetzt erstmal was anderes schreiben, ein Projekt, das mit weniger Zweifeln behaftet ist – und dann vielleicht in ein paar Monaten nochmal mit frischem Blick schauen, ob sich die Drachen doch noch von mir zähmen lassen.